
Magnesit-gebundene Holzwolle-Platten werden oft an Tiefgaragen-Decken verarbeitet. Foto: Knauf Insulation
Bindemittel: Was ist Magnesit?
Wenn von mineralischen Bindemitteln in Baustoffen die Rede ist, denkt man zunächst vor allen an Zement, Kalk und Gips, vielleicht noch an Lehm. In vielen Holzwolle-Platten sowie in einigen anderen Baumaterialien sorgt allerdings Magnesit für den inneren Zusammenhalt der Werkstoffe. Der folgende Beitrag erklärt, woraus dieses Bindemittel besteht und welche Eigenschaften es hat.
Magnesit ist ein in der Erdkruste häufig vorkommendes natürliches Mineral, das aus Magnesium-, Kohlenstoff- und Sauerstoffatomen aufgebaut ist. Chemisch betrachtet handelt es sich um Magnesiumcarbonat (MgCO3). Völlig rein tritt dieses Gestein in der Natur allerdings nur selten auf. Meist enthalten die mineralischen Kristalle zusätzlich Eisen oder auch geringe Mengen an Mangan und Calcium. Das Gestein Magnesit selbst ist zudem noch nicht als Bindemittel verwendbar. Dazu muss man es bei Temperaturen bis 800 °C brennen. Dabei entsteht dann Magnesiumoxid (MgO), das auch als Magnesia bezeichnet wird.
Magnesit oder Magnesia?
Diese gebrannte Substanz wird nun wirklich als Bindemittel in Baustoffen verwendet. Streng genommen müsste man also vom Bindemittel Magnesia sprechen. Tatsächlich ist der Begriff Magnesiabinder auch durchaus geläufig. Andererseits spricht zum Beispiel der Hersteller Knauf Insulation selbst in der offiziellen Umwelt- Produktdeklaration (EPD) für seine Holzwolle-Platten (Marke „Heraklith“) von „Magnesit“ als Bindemittel. Letztlich ist diese Bezeichnung so geläufig, dass wir sie in diesem Beitrag übernehmen. Man sollte aber im Hinterkopf behalten, dass eigentlich Magnesiumoxid (Magnesia) gemeint ist, wenn vom Bindemittel Magnesit die Rede ist.
Einsatzbereiche
Im Baustoffbereich kommt das Bindemittel Magnesit vor allem für Holzwolle-Platten und in geringerem Umfang auch für Estrich-Produkte zum Einsatz. Die Platten bestehen aus langfaseriger Holzwolle, die durch Magnesit zusammengehalten werden. Daneben bieten die Baustoffhersteller aber auch Holzwolle-Platten mit Zement als Bindemittel.
Ein weiteres Einsatzfeld sind Spanplatten. Wer auf kunstharzgebundene Spanplatten verzichten möchte, findet im Handel mittlerweile nämlich auch Produkte mit mineralischen Bindemitteln wie Gips, Zement oder eben Magnesit. Vorteil: Magnesit ist gesundheitlich unbedenklich und gast kein Formaldehyd aus.
So genannter Magnesia-Estrich besteht neben Magnesit und Wasser noch aus mineralischen Zuschlagstoffen wie zum Beispiel Quarzsand. Vor allem in der Nachkriegszeit war er als Bodenmaterial sehr beliebt, oft in Verbindung mit weiteren organischen Zusätzen. Mischt man Magnesia-Estrich mit Holzspänen und Holzmehl, erhält man einen angenehm fußwarmen und relativ elastischen Bodenbelag, der auch als „Steinholz“ bezeichnet wird.
Leider wurde Magnesia-Estrich früher auch häufig mit Asbestfasern hergestellt. Bei Arbeiten an alten Estrichflächen ist daher Vorsicht geboten! Ansonsten haben Magnesia-Estriche aber viele Vorteile – etwa ihre guten Wärme- und Schalldämmeigenschaften sowie die hohe Festigkeit. Trotzdem sind sie heute nur noch ein Nischenprodukt. Nachteilig ist vor allem die hohe Wasserlöslichkeit des mineralischen Bindemittels.
Als Vorteil ist das Brandverhalten zu nennen. Da Magnesit bis etwa 3.000 °C temperaturbeständig ist, sorgt das Bindemittel für eine hohe Feuerfestigkeit der Baustoffe. Selbst in der hitzeintensiven Stahlindustrie verwendet man zum Beispiel zur Auskleidung von Schmelzöfen spezielle Magnesit-Ziegel oder -Isoliermassen.
Vor- und Nachteile
Ein weiterer Vorteil von Magnesia-Estrich ist, dass er nur wenige Stunden benötigt, um zu erhärten. Und anders als bei Zement-Estrich schwindet die Bodenmasse nur sehr wenig während des Trocknungsprozesses. Da der Belag also kaum schrumpft, kann man mit Magnesit auch größere Estrichflächen verlegen, ohne dass man zwischendurch elastische Fugen einbauen muss.
Während das Schwinden beim Trocknen also kein Problem darstellt, muss man bei Magnesia-Estrich aber leider mit dem entgegengesetzten Prozess rechnen. Das Bindemittel im Boden quillt nämlich auf, wenn es mit Feuchtigkeit in Verbindung kommt. Auch ausgehärtete Magnesia-Böden bleiben stets wasserlöslich – das ist der größte Nachteil dieses Belags. Für Feuchträume und im Freien eignet er sich daher generell nicht. Magnesia ist eben ein nichthydraulisches Bindemittel.
Nachteilig ist auch, dass sich das Bindemittel Magnesit aggressiv gegenüber Metallen verhält und leicht Korrosionsprozesse auslöst. Eine Metallbewehrung ist in Magnesia-Estrichen daher nicht zu empfehlen. Verantwortlich dafür ist das Chlorid, das praktisch in jedem Magnesiabinder – chemisch nicht gebunden – vorliegt. Hintergrund: Bei der Herstellung des Bindemittels kommt in der Regel Magnesiumchlorid als Katalysator zum Einsatz.
Zu den uneingeschränkten Vorteilen von Magnesit zählt zweifellos seine hohe Feuerfestigkeit. Auch Holzwolle-Platten mit Magnesit sind erstaunlich feuerfest und werden deshalb für Brandschutzanwendungen eingesetzt – beispielsweise als Deckenverkleidung in Kellern und Tiefgaragen. Reine Holzwolle-Platten sind der Baustoffklasse B1 zugeordnet, sie gelten also als schwer entflammbar. Zudem gibt es mehrschichtige Holzwolle-Verbundplatten mit Steinwolle-Kern, die sogar die Baustoffklasse A2 („nicht brennbar“) erreichen.
Recycling von Magnesit

Bindemittel-Rückgewinnungsanlage bei Knauf AMF in Ferndorf. Foto: Knauf AMF
Dass sich das Bindemittel Magnesit auch recyceln lässt, hat kürzlich der Deckenplattenhersteller Knauf AMF bewiesen. Das Unternehmen hat ein Verfahren zur Rückgewinnung des Bindemittels aus Holzwolle-Platten entwickelt und an seinem Standort im österreichischen Ferndorf eine entsprechende Bindemittel-Rückgewinnungsanlage installiert (Foto). Dafür wurde der Hersteller vom österreichischen Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus mit dem Abfallwirtschaftspreis „Phönix 2018“ ausgezeichnet.
Mithilfe der Anlage will Knauf AMF jedes Jahr 4.000 Tonnen Produktionsrückstände aus der Holzwolle-Platten-Fertigung wieder in den Herstellungsprozess zurückführen. Dabei wird das Holz der Plattenreste verbrannt und die Rückstände – das übrigbleibende Bindemittel Magnesit – lässt sich dann für neue Platten wiederverwenden. Versuche des Herstellers haben ergeben, dass es bei Platten mit recyceltem Magnesit keine Qualitätseinbußen gibt.
Im September 2017 wurde der für das Verfahren modifizierte Drehrohrofen in Ferndorf installiert. „Nach dem Aufheizen mit Erdgas wird bei rund 500 °C das zu recycelnde Plattenmaterial zugeführt, danach heizt sich die Anlage sozusagen selbst“, erläutert Michael Pehr, technischer Projektleiter bei Knauf AMF. „Die notwendige Wärme für die Aufrechterhaltung des Prozesses liefert allein das Holz, das im Recyclingmaterial enthalten ist und dessen Energieanteil durch einen Wärmetauscher dem Prozess wieder zugeführt wird.“
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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