
Kalkfarbe ist nicht immer weiß, sondern auch in anderen Farbtönen erhältlich. Foto: Auro
Vor- und Nachteile von Kalkfarben
Kalkfarben für Innenräume erfreuen sich wegen ihrer wohngesunden und schimmelresistenten Eigenschaften seit Jahren zunehmender Beliebtheit. Auch wenn die mineralischen Anstrichstoffe heute meist nicht nur Kalk und Wasser, sondern zur Verbesserung der Verarbeitungseigenschaften oft auch Kunststoffzusätze enthalten, sorgen sie dennoch für ein besseres Raumklima als herkömmliche Dispersionsfarben. Dafür ist ihre Verarbeitung allerdings schwieriger.
Zu den Dispersionsfarben zählen die normalen Wandfarben aus dem Baumarkt, mit denen nach wie vor die meisten Menschen ihre Wohnungswände streichen und die auch für den Laien unkompliziert zu verarbeiten sind. Diese Anstrichmittel enthalten allerdings in der Regel organische Kunstharze als Bindemittel, und sie sind wenig bis gar nicht wasserdampfdurchlässig. Um Schimmelbildung zu vermeiden, sind sie zudem oft mit Fungiziden versetzt.
Mehr oder weniger mineralisch
Kalkfarben bestehen dagegen überwiegend aus natürlichen mineralischen Stoffen – vor allem aus verdünnter Kalklauge. Manche Naturfarbenhersteller fertigen ihre Kalkfarben sogar noch aus traditionell hergestelltem Sumpfkalk und werben mit den hohen Reinheitsgraden der Produkte. Nur aus Kalk und Wasser bestehen natürlich auch diese Anstrichmittel nicht. Aber wer sucht, findet durchaus Anbieter von Farben, die zumindest zum größten Teil nur Kalk enthalten und darüber hinaus nur mineralische oder „natürliche“ Bestandteile – beispielsweise auch mineralische Farbpigmente. Jedenfalls keine Kunststoffe.
Gleichwohl gilt: Nicht überall, wo heute Kalkfarbe draufsteht, handelt es sich um Produkte, die völlig frei von Kunstharzen sind. Im Gegenteil: Seit fast alle großen Farbenhersteller wieder Kalkprodukte in ihr Sortiment aufgenommen haben, sind so genannte Dispersionskalkfarben fast zum Standard geworden. Das sind Kalkfarben, die zu maximal fünf Masse-Prozent auch organische Bestandteile – also in der Regel Kunstharze – enthalten dürfen. Für Manche ist das eine Verfälschung des natürlichen Produktversprechens, Andere betonen eher, dass es sich ja nur um geringe Zusätze handele, die aber wichtig seien, um die Verarbeitbarkeit von Kalkfarben zu verbessern.
Wohngesunde Eigenschaften

Kalkfarben sind diffusionsoffen und wirken raumluftregulierend. Foto: Auro
Ob nun mit oder ohne Kunststoffzusätzen: In jedem Fall bieten Kalkfarben im Vergleich zu herkömmlichen Dispersionsfarben ein Plus an Wohngesundheit. Sie erzeugen eine relativ raue, körnige Oberfläche und sind tatsächlich ausgesprochen offenporig. Daher rührt auch einer ihrer positiven Einflüsse auf das Raumklima, denn Kalkfarben können Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft schadensfrei zwischenspeichern und bei Bedarf auch wieder an den Raum abgeben. Manche Hersteller betonen zudem die geruchsabsorbierenden Eigenschaften ihrer Produkte. Natürlich sind diese Effekte nicht so stark wie bei Kalkputzen, da man Farben ja deutlich dünner aufträgt.
Schadensfrei ist die Wasserdampfdiffusionsfähigkeit deshalb, weil Kalk hoch alkalisch ist, also einen hohen pH-Wert hat. Viele Kalkfarben haben einen pH-Wert von 12 oder höher. Dadurch wirkt das Material desinfizierend und ist auf natürliche Weise fungizid. Schimmelpilzen und Bakterien wird somit von vorneherein der Nährboden entzogen. Aufgrund ihrer Feuchtigkeitsunempfindlichkeit sind Kalkfarben und -putze eine gute Lösung für feuchtebelastete Räume beziehungsweise für feuchte Untergründe. Vorausgesetzt natürlich, das jeweilige Produkt enthält nicht doch größere Mengen an organischen Zusätzen, die schimmeln können. Hier sollte man sich vorab informieren.
Schwieriger zu verarbeiten
Sind Kalkfarben erst einmal verarbeitet und ausgetrocknet, profitieren die Hausbewohner von ihren wohngesunden Eigenschaften. Der Anstrich erfordert allerdings mehr Know-how und ist zudem gefährlicher als bei herkömmlichen Dispersionsfarben. Schon allein aus Sicherheitsgründen sind Kalkfarben eher etwas für Verarbeiter-Profis. Ähnlich wie Zement sind sie nämlich ätzend und können Hautreizungen sowie schwere Augenschäden auslösen. Hautkontakt mit den frischen Farben ist daher unbedingt zu vermeiden, Handschuhe und Schutzbrille werden dringend empfohlen.
Auch sonst kann man bei der Verarbeitung viel falsch machen. Die Farbe trocknet sehr schnell. Das erhöht nicht nur die Gefahr hässlicher Pinselabsätze, sondern gefährdet auch das Ziel einer abriebfesten Oberfläche. Dafür müssen die Kalkbestandteile der Farbe nämlich mit Kohlendioxid aus der Luft reagieren. Das aber funktioniert nur, solange das Anstrichmittel noch feucht ist. Deshalb werden Kalkfarben auf feuchtem Untergrund aufgetragen, und unter Umständen – etwa bei stark saugenden Untergründen – muss man sie auch nach dem Auftrag über einen längeren Zeitraum feucht halten.
Hinzu kommt, dass zumindest die rein mineralischen Kalkfarben auf nicht-mineralischen Untergründen wie Fliesen, Holz und glatten Tapeten nicht halten. Der Farbenhersteller Caparol empfiehlt in solchen Fällen die oben schon erwähnten Dispersionskalkfarben als Alternative.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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