RM Rudolf Müller
Hanfmatten werden in unterschiedlichen Stärken angeboten und sind teilweise auch als Rollenware erhältlich. Fotos: Thermo Natur

Hanfmatten werden in unterschiedlichen Stärken angeboten und sind teilweise auch als Rollenware erhältlich. Fotos: Thermo Natur

 
Dämmstoffe
26. Juni 2018 | Artikel teilen Artikel teilen

Hanf-Dämmungen und ihre Eigenschaften

Dämmstoffe auf Hanfbasis sind zwar keine Wärmeschutz-Wunder, sie punkten aber durch eine vorbildliche Nachhaltigkeit und wohngesunde Eigenschaften. Der pflanzliche Rohstoff wird von der Baustoffindustrie zu Matten, Platten und Filzen sowie zu loser Stopfwolle und zu Schüttungen verarbeitet.

Die uralte Nutz- und Zierpflanze Hanf steht für große Nachhaltigkeit. Der natürliche Rohstoff ist nicht nur nachwachsend, sondern auch ausgesprochen schnellwachsend. Die Pflanze benötigt nur etwa vier Monate, bevor sie zu einer stattlichen Höhe von bis zu 5 m heranwächst und anschließend geerntet werden kann. Es handelt sich um ein sehr anspruchsloses Gewächs, das auch in unseren Breitengraden ohne künstliche Bewässerung oder Belichtung problemlos gedeiht – und das sogar ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

Da Hanf (Cannabis) bekanntlich auch zu Rauschmitteln verarbeitet werden kann, war der Anbau in Deutschland in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst generell verboten. Doch seit 1996 dürfen Landwirte hierzulande die alte Nutzpflanze wieder anbauen – zumindest THC-arme Sorten. Für Privatpersonen gilt das Verbot aber weiterhin. Während man Dämmstoffe aus den Hanf-Stängeln gewinnt, also aus den Pflanzenstielen, werden die Rauschmittel Haschisch und Marihuana übrigens aus den Blättern und Blüten der Pflanzen hergestellt.

Viele gute Eigenschaften

Dämmstoffe aus Hanf sind hautverträglich und lassen sich staubarm verarbeiten. Für ihre Herstellung ist nur relativ wenig Primärenergie notwendig, und sie lassen sich problemlos recyceln. Sie können Feuchtigkeit aus der Raumluft aufnehmen und schadlos wieder abgegeben. Dadurch wirkt sich der Dämmstoff auch positiv auf das Raumklima aus. Die Materialien werden zudem nicht von Insekten befallen und sind relativ schimmelresistent. Und sie gasen keinerlei VOC-Schadstoffe aus.

Hanfdämmungen bieten außerdem einen guten Schallschutz und einen sehr guten sommerlichen Hitzeschutz. Ihre Wärmeleitfähigkeit liegt in der Regel zwischen 0,040 bis 0,045 W/mK und damit im üblichen Leistungsbereich von Naturdämmstoffen. Das ist ein guter, wenn auch sicher kein überragender Dämmwert.

Produktformate und Einsatzbereiche

Hanf-Dämmfilz

Hanf-Dämmfilze eignen sich vor allem zur Trittschalldämmung.

Hanf wird von der Baustoffindustrie zu unterschiedlichen Dämmstoff-Formaten verarbeitet. Am bekanntesten sind die Dämmmatten, die vor allem zur Isolierung von Steildächern (Zwischensparrendämmung, Untersparrendämmung) und als Kernfüllung bei Wänden in Holzständerbauweise oder bei Holzbalkendecken zum Einsatz kommen. Mittlerweile gibt es aber auch relativ steife, feste Dämmstoffplatten auf Hanfbasis, die sich auch für eine WDVS-Fassadendämmung eignen.

Bei den Matten handelt es sich dagegen um flexible Dämmstoffe, die elastisch sind und eine gute Klemmbarkeit aufweisen. Dadurch eignen sie sich besonders für Zwischensparrendämmungen. Hanfmatten werden in unterschiedlichen Stärken angeboten und sind teilweise auch als Rollenware erhältlich. Am dünnsten sind die so genannten Dämmfilze, die vor allem zur Trittschalldämmung verwendet werden.

Zur Herstellung der Mattenware verarbeitet man Hanffasern zu zusammenhängenden, plattenförmigen Formteilen. Daneben gibt es aber auch lose Hanfwolle – man spricht hier von Stopfhanf oder Hanf-Stopfwolle. Dieses Produkt eignet sich zum Schließen kleinerer Fugenbereiche oder zum Verfüllen von schwer zugänglichen Hohlräumen oder Bauteilen, die sich aufgrund ihrer Geometrie mit standardisierten Mattenformaten nur schwer dämmen lassen. Beim Einbau von Türen und Fenstern ist Stopfhanf eine umweltfreundliche Alternative zu PU-Schaum.

Herstellung

Stopfwolle wird zum Verfüllen von Fugen und schwer zugänglichen Hohlräumen verwendet.

Stopfwolle wird zum Verfüllen von Fugen und schwer zugänglichen Hohlräumen verwendet.

Zur Herstellung von Hanfmatten zerlegt man die Pflanzenstängel in ihre Faserbestandteile. Aus den Fasern formt man dann die Matten. Das geschieht größtenteils durch eine Verfilzung der Fasern. Außerdem enthalten die meisten Produkte zusätzlich Stützfasern auf Kunststoffbasis. Darüber hinaus sind aber keine Bindemittel notwendig. Einige Hersteller werben mit Premiumprodukten, bei denen auch die Stützfasern auf rein pflanzlicher Basis hergestellt werden. Weiterhin müssen die Matten ein Flammschutzmittel enthalten. Die Hersteller verwenden dafür zum Beispiel Soda oder Borsalz.

Im Gegensatz zu den Matten enthält Stopfhanf keine Stützfasern. Es besteht ausschließlich aus Hanffasern und 2–5 % Flammschutzmittel. Bei Dämmfilzen auf Hanfbasis wird sogar auf das Flammschutzmittel verzichtet. Sie bestehen zu 100 % aus Hanffasern.

Auch verholzte Bestandteile des Hanfstängels lassen sich zerkleinern und als Dämmstoff nutzen. Diese so genannten Schäben fließen nicht in die Mattenproduktion ein, sondern werden – wie Zellulose-Dämmstoffe – zu Schüttungen verarbeitet, die als tragende Dämmschichten im Bodenbereich zum Einsatz kommen. Alternativ kann man aus ihnen auch härtere Dämmstoffplatten herstellen.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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