RM Rudolf Müller
Verarbeitung von Schafwolle-Dämmung in einer Metallständerwand. Foto: Isolenawolle

Verarbeitung von Schafwolle-Dämmung in einer Metallständerwand. Foto: Isolenawolle

Dämmstoffe
06. Juni 2017 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind Naturdämmstoffe?

Unter nachwachsenden Rohstoffen versteht man land- oder forstwirtschaftliche Produkte, die nach ihrem Verbrauch immer wieder von neuem zur Verfügung stehen – eben weil sie nachwachsen. Sie werden auch zur Herstellung von Naturdämmstoffen genutzt, wobei meist Pflanzenfasern zum Einsatz kommen. Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen können aber auch tierischer Herkunft sein.

Zu einigen Naturdämmstoffen gibt es auf baustoffwissen.de bereits eigene Beiträge. Das gilt zum Beispiel für Platten aus Holzfaser, Holzwolle und Kork. Auch Zellulose-Flocken bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen. Sie werden zwar größtenteils aus recyceltem Altpapier hergestellt, aber das wiederum besteht ja hauptsächlich aus pflanzlichen Fasern. Zellulose-Dämmstoffe kommen meist als Einblasdämmung für Hohlräume oder als Schüttungen im Boden-, Dach- und Wandbereich zum Einsatz. Mehr zu diesem Thema erfahrt ihr hier. Auf baustoffwissen.de haben wir zudem bereits über Platten aus Rohrkolben berichtet.

Marktanteile

Flexible Hanfmatte zur Zwischensparrendämmung im Dachbereich. Foto: Thermo Natur


Flexible Hanfmatte zur Zwischensparrendämmung im Dachbereich. Foto: Thermo Natur

Naturdämmstoffe bestehen meist aus Pflanzenfasern. Da die Welt der Pflanzen äußerst vielfältig ist, verwundert es nicht, dass auch der Markt für Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen eher kleinteilig und damit ziemlich unübersichtlich ist. Es gibt unterschiedlichste Produkte, zum Beispiel Dämmstoffe aus Holz, Baumwolle, Flachs, Hanf, Jute, Kokos, Schilfrohr, Seegras oder auch aus Wiesengras – um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Unübersichtlichkeit des Sortiments wird noch dadurch verstärkt, dass es kaum verlässliche Marktzahlen gibt. Welches sind die wichtigsten Naturdämmstoffe? Wie hoch ist ihr Anteil am gesamten Dämmstoffmarkt? Zu solchen Fragen existieren leider nur Schätzungen. Einigkeit herrscht bei den Experten, dass der Marktanteil der Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen in Deutschland seit vielen Jahren wächst, allerdings nur sehr langsam. Nach wie vor handelt es sich um einen Nischenmarkt, der – je nach Schätzung – zwischen 5 und 10 % des gesamten Dämmstoffmarkts ausmachen soll. Die konventionellen Dämmstoffe, allen voran EPS und Mineralwolle, beherrschen den Markt also weiterhin mit einem Anteil von mindestens 90 %.

Unbestritten ist auch, dass innerhalb des Nischenmarkts der Naturdämmstoffe die Holzfaserdämmstoffe eindeutig den ersten Platz belegen. Der Verband Holzfaser Dämmstoffe (VHD) bezifferte ihren Marktanteil im Jahr 2008 auf rund 60 %. Auf Platz zwei folgen die Zellulose-Dämmstoffe. Danach folgen wahrscheinlich die Dämmstoffe, die aus Hanf- oder Flachsfasern hergestellt werden.

Alle anderen Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen haben in Deutschland bislang einen verschwindend kleinen Marktanteil. Erwähnen wollen wir an dieser Stelle nur noch die Produkte aus Schafwolle, weil sie verdeutlichen, dass Naturdämmstoffe eben auch tierischer Herkunft sein können. Diese Dämmstoffe werden aus der Schurwolle von Schafen hergestellt. Ihr Einsatz ist auch deshalb interessant, weil Schafwolle die positive Eigenschaft hat, Schadstoffe wie zum Beispiel Formaldehyd zu binden.

Eigenschaften

Die Wärmeleitfähigkeit von Naturdämmstoffen liegt in der Regel zwischen 0,036 und 0,050 W/mK. Das garantiert zwar eine gute, aber eben keine sehr gute Dämmleistung. Zu den Hochleistungsdämmstoffen gehören die Produkte aus nachwachsenden Dämmstoffen sicher nicht. Dafür bieten Naturdämmstoffe aber in der Regel einen hervorragenden sommerlichen Wärmeschutz. Außerdem sind sie meist weniger feuchteanfällig als zum Beispiel Mineralwolle. Viele biobasierte Dämmstoffe sind in der Lage, relativ viel Feuchtigkeit aufzunehmen und zeitversetzt wieder abzugeben, ohne dass ihre Dämmleistung wesentlich nachlässt. Klatschnass dürfen sie allerdings nicht werden. Dann besteht die Gefahr von Schimmelpilzbildung.

Viele Bauherren haben Angst, dass Dämmstoffe aus Pflanzenfasern ein erhöhtes Risiko im Brandfall darstellen. Tatsächlich sind Naturdämmstoffe entweder als „normal entflammbar“ (Baustoffklasse B2) oder als „schwer entflammbar“ (B1) eingestuft. Damit sind sie für Bereiche mit erhöhten Brandschutzanforderungen nicht geeignet. Überall dort, wo nicht brennbare Dämmstoffe vorgeschrieben sind (Baustoffklasse A1), ist meistens Mineralwolle das Mittel der Wahl. Auf der anderen Seite ist aber auch der Massendämmstoff EPS in der Baustoffklasse B2 eingestuft (ohne Flammschutzmittel) beziehungsweise in der Baustoffklasse B1 (mit Flammschutzmittel).

Wo EPS zum Einsatz kommen darf, sind also auch Naturdämmstoffe in der Regel brandschutztechnisch geeignet. Auch ihnen mischt man teilweise Flammschutzmittel bei. Im Gegensatz zu Hartschaum-Dämmplatten auf Erdölbasis haben Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen aber den Vorteil, dass sie im Brandfall nicht brennend abtropfen und die entstehenden Rauchgase weitaus weniger giftig und explosiv sind.

Apropos Gifte: Wohngesundheit ist ein Thema, bei dem Naturdämmstoffe eindeutig punkten können. In der Regel dünsten sie so gut wie keine schädlichen Stoffe aus. Zwar enthalten die aus Pflanzenfasern hergestellten Dämmmatten häufig zusätzliche synthetische Stützfasern, und in vielen Fällen werden auch kleine Mengen an Flamm- und Mottenschutzmittel beigemischt. Gleichwohl handelt es sich um vergleichsweise wohngesunde Baustoffe.

Schließlich sind Naturdämmstoffe natürlich besonders nachhaltig. Für ihre Herstellung werden ja schließlich hauptsächlich nachwachsende Rohstoffe verwendet. Die Produktion ist normalerweise weniger energieintensiv als bei konventionellen Dämmstoffen, und eine umweltfreundliche Entsorgung ist ebenfalls gewährleistet.


Mehr zum Thema Dämmung findest du hier


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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