
Das relativ poröse Material bietet eine hervorragende Wärmedämmung. Foto: www.hanfundkalk.de
Öko-Wandbaustoff: Was ist Hanfkalk?
Wer hätte gedacht, dass man aus Hanf auch Gebäudewände errichten kann? Das funktioniert zumindest mit so genanntem Hanfkalk – einem ökologischen Verbundbaustoff, der zahlreiche Vorteile hat. Der innovative Wandbildner bietet auch ohne Zusatzdämmung einen hervorragenden Wärmeschutz und wird in der Regel zusammen mit einem lastabtragenden Holzständerwerk verbaut.
Die Rezeptur von Hanfkalk ist ebenso natürlich wie einfach: Das Material besteht aus Hanfschäben, gemischt mit Kalk als Bindemittel und Wasser. Nach der Austrocknung entsteht ein stabiler, steinartiger Baustoff mit hervorragender CO2-Bilanz, der sehr langlebig ist, bei Bedarf aber auch komplett wiederverwertet beziehungsweise alternativ sogar problemlos kompostiert werden kann.
Die ein bis vier Zentimeter langen Schäben werden aus dem holzigen Kern des Hanfstängels gewonnen. Sie erinnern nicht nur optisch an Holz, sondern bestehen tatsächlich aus denselben Grundsubstanzen: Zellulose, Lignin und Hemizellulose. Über die Eigenschaften der uralten Nutz- und Zierpflanze Hanf und die Anbaupraxis in Deutschland informiert bereits unser Beitrag über Hanf-Dämmstoffe.
Einsatzbereiche
Mit Hanfkalk lassen sich auch Innenwände bauen, überwiegend wird der Verbundwerkstoff jedoch für die Gebäudehülle verwendet. Das vergleichsweise poröse Material ist allerdings bei Weitem nicht so druckbelastbar wie zum Beispiel Kalksandstein, Ziegelsteine, Beton oder andere herkömmliche Mauerwerkmaterialien. Daher lässt man den Ökobaustoff in der Regel nicht die statischen Lasten des Hauses tragen, sondern verwendet ihn meist nur zur Ausfachung lastabtragender Holzständerwerke, wie man sie vom Fachwerkbau kennt.
Der Unternehmer Reinhold Straub, Geschäftsführer der bayerischen Handwerksfirma Straub Hanf & Kalk, betont zwar, dass man bei eingeschossigen Gebäuden – je nach Dachlast – aufgrund der Eigenfestigkeit von Hanfkalk auch ganz auf ein Tragwerk verzichten könne. Doch meist wird der leichte Baustoff – die Dichte liegt üblicherweise bei 300 bis 400 kg/m3 – mit einem stabilisierenden, lastabtragenden Ständerwerk kombiniert. Anders sieht das natürlich aus, wenn Hanfkalk nur für eine nicht nichttragende, wärmedämmende Mauerwerkschicht – zum Beispiel eine Vormauer – zum Einsatz kommt.
Viele Vorteile

Die Schäben werden aus dem holzigen Kern des Hanfstängels gewonnen. Foto: www.hanfundkalk.de
Sieht man von der relativ geringen Belastbarkeit ab, hat Hanfkalk dank seiner porösen Struktur eigentlich nur bauphysikalische Vorteile. Die Wärmeleitfähigkeit schwankt je nach Rezeptur, sie liegt nach Angaben von Straub aber bei durchschnittlich 0,07 W/mK. Das entspricht etwa dem Wärmeschutz moderner Mauerwerkziegel mit Dämmstofffüllung. Außenwände aus Hanfkalk benötigen daher keine zusätzliche Dämmschicht.
Hanfkalk behält seinen guten Dämmwert zudem auch in feuchtem Zustand. Das Material ist diffusionsoffen und kann Feuchtigkeit schadensfrei aufnehmen und bei Bedarf wieder an die Raumluft abgeben. Das sorgt für eine gutes Raumklima. Das Kalkbindemittel macht den Werkstoff alkalisch und damit antibakteriell und schimmelresistent. Da die pflanzlichen Bestandteile komplett mit dem mineralischen Bindemittel umhüllt sind, droht auch keine Zerstörung durch Ungeziefer. Zudem ist das Verbundmaterial nicht brennbar.
Im Übrigen dämmt Hanfkalk nicht nur Wärme (und Schall!), sondern bietet auch gute Werte in den Bereichen Wärmespeicherung und Wärmereflektion. Das führt nach Angaben des Bauunternehmers Straub zu langanhaltender Wärme im Winter und zu kühlen Räumen im Sommer.
Verarbeitung

Hanfkalk dient oft zur Ausmauerung der Gefache eines lastabtragenden Holzständerwerks. Foto: www.hanfundkalk.de
Der Baustoff Hanfkalk entsteht in vielen Fällen erst auf der Baustelle. Die Bestandteile Hanfschäben und Kalk werden dann erst vor kurz vor ihrer Verwendung gemischt. Das erinnert an Beton, der oft ja auch oft erst vor Ort hergestellt und zu Bauteilen gegossen wird. Aus diesem Grund wird Hanfkalk auch als Hanfbeton bezeichnet – obwohl beide Baustoffe ansonsten wenig gemeinsam haben.
Tatsächlich erinnert die Verarbeitung des vor Ort hergestellten Hanfkalks eher an die Errichtung von Stampflehm-Wänden. Den frisch gemischten Hanfkalk schüttet man schichtweise in eine Wandschalung, die an beiden Seiten des Holzständerwerks befestigt ist. Zwischendurch muss man die Schüttungsmasse immer wieder mit einem Stampfwerkzeug (zum Beispiel eine Hanf-Picke) verdichten, um Hohlräume zu vermeiden. Also wie bei Wänden aus Lehm und Stroh – nur dass Hanfkalk viel günstiger ist als Stampflehm.
Wände aus vor Ort hergestelltem Hanfkalk können nach einer ausreichenden Trocknungszeit direkt mit Kalk- oder Lehmputz endbeschichtet werden. Auch Holzverschalungen sind möglich.
Maschinelles Sprühverfahren

Mittlerweile gibt es auch vorgefertigte Hanfkalk-Steine. Foto: www.hanfingenieur.de
Alternativ zu dieser manuellen Methode lässt sich auf der Baustelle gemischter Hanfkalk auch per maschinellem Sprühverfahren verarbeiten. Dafür gibt es spezielle Spritzmaschinen, in denen die Hanfschäben und das verflüssigte Bindemittel oft erst direkt vor der Spritzdüse miteinander vermischt werden. Beim Sprühverfahren kommt in der Regel nur eine einseitige Schalung zum Einsatz, die also auf der Sprühseite offen ist.
Durch den hohen Druck des Materialauftrags wird die Hanf-Kalk-Mischung zugleich verdichtet, sodass kein manuelles Stampfen mehr notwendig ist. Außerdem erfordert das Sprühverfahren eine viel geringere Wasserzugabe, wodurch die Trocknungszeit erheblich sinkt. Nach Angaben des Berliner Architekten Roger Dauer beträgt sie bei der maschinellen Verarbeitung nur mindestens zehn Tage. Bei der manuellen Verarbeitung müsse man dagegen mindestens einen Monat warten. Auf der Website von Roger Dauer werden die verschiedenen Techniken der Hanfkalk-Verarbeitung übrigens noch genauer beschrieben.
Hanfsteine
Neben dem auf der Baustelle frisch gemischten Hanfkalk gibt es mittlerweile auch vorgefertigte Hanfsteine – zum Beispiel vom Südtiroler Hersteller Schönthaler. Auch dessen Produkte bestehen aus Hanfschäben und Kalk, nur dass die Mischung werkseitig zu Mauerwerksteinen oder -blöcken geformt und vor allem bereits getrocknet wurde. Das spart Zeit auf der Baustelle, zumal auch keine Schalungstechnik notwendig ist.
Die Steine werden wie normales Mauerwerk mit Mörtel verarbeitet. Sie sind allerdings nicht druckstabil genug, um daraus Wände von hoher Tragfähigkeit zu konstruieren. In der Regel dienen sie zur Ausmauerung der Gefache eines lastabtragenden Holzständerwerks.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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