
Einbau eines vorgefertigten Zwischendeckenelements in eine Stahl-Leichtbaukonstruktion. Foto: Today Systems GmbH
Was ist Stahl-Leichtbau?
Das Bauen mit Stahlprofilen kennen viele nur vom trockenen Innenausbau. Dabei sind auch tragende Außenwände und komplette Dächer in Stahl-Leichtbauweise möglich. Das Prinzip ähnelt dem Holzrahmenbau, nur eben mit Metallskelett. Die Bauweise ermöglicht schlanke und leichte Konstruktionen, die sich kostengünstig realisieren lassen. Der Stahl-Leichtbau ist zudem flexibel genug, um auch hohe Anforderungen an den Wärme-, Schall- und Brandschutz zu erfüllen.
Bei nichttragenden Trockenbau-Innenwänden haben wir uns schon lange daran gewöhnt, dass die Unterkonstruktion heute meist nicht mehr aus einem Holzgerüst, sondern aus Stahlprofilen besteht. Dabei wird das Metallskelett beidseitig beplankt – meist mit Gipskartonplatten –, den Hohlraum dazwischen füllt man oft mit Dämmstoffen. Weniger bekannt ist, zumindest in Deutschland, dass man nach demselben Prinzip auch tragende Außenwände errichten kann.
Flexible Bauweise

Über dem betonierten Erdgeschoss dieses Büroneubaus thront ein Überbau in Stahl-Leichtbauweise. Foto: Knauf/Sigi Lustenberger
Gebäudehüllen in Stahl-Leichtbauweise werden natürlich nicht nur mit einfachen Gipskartonplatten erstellt. Zumindest auf der Außenseite ist ein ausreichender Feuchteschutz notwendig. Deshalb kommen dort häufig zementgebundene Bauplatten zum Einsatz. Es sind aber auch andere Beplankungsmaterialien möglich. Der Hersteller Knauf etwa setzt bei seinen Stahl-Leichtbau-Systemen auf Hartgipsplatten mit imprägniertem Kern („Knauf Diamant“).
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Plattenwerkstoffe auf der Wandaußenseite sind in keinem Fall direkt der Witterung ausgesetzt. Sie bilden nicht die Fassadenansicht. Die eigentliche Fassade wird bei dieser Bauweise erst im zweiten Schritt auf die tragenden Stahlgerüst-Außenwände aufgebracht. Üblich sind hier Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS), aber auch vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF). Letztere ermöglichen eine große Vielfalt an unterschiedlichen Außenbekleidungen – von Keramik- oder Faserzement-Platten über Naturstein, Holz und Glas bis hin zu Aluminium oder HPL-Platten.
Auch wenn in Deutschland der Stahl-Leichtbau für die Gebäudehülle noch relativ unbekannt sein mag, spielt er in der Praxis in einem Anwendungsbereich schon heute eine große Rolle: Gewerbeimmobilien errichtet man nämlich auch hierzulande mittlerweile sehr häufig mithilfe tragender Stahlprofil-Unterkonstruktionen.
Das bisherige Nischendasein der Bauweise gilt also eigentlich nur für den Wohnbau. Dabei eignet sie sich durchaus auch für mehrgeschossige Wohnbauten und sogar Einfamilienhäuser. Als leichte und schlanke Bauweise hat der Stahl-Leichtbau zudem auch viele Vorteile bei Aufstockungen auf Bestandsgebäuden.
Zahlreiche Vorteile

Die C- und U- Profile dieser Konstruktion werden durch Leichtmetallwinkel stabilisiert. Foto: Knauf/Sigi Lustenberger
Wände aus Stahl-Leichtbauelementen sind nicht nur deutlich leichter als massive Steinwände, sie wiegen auch weniger als vergleichbare Konstruktionen in Holzrahmenbauweise. Durch das geringe Gewicht der Bauteile – bei zugleich hoher Tragfähigkeit und Formstabilität – ergeben sich zudem Kostenvorteile an anderer Stelle. So lassen sich zum Beispiel Fundamente leichter dimensionieren. Bei Dachaufstockungen kann das geringe Gewicht Voraussetzung dafür sein, dass überhaupt eine Baugenehmigung erteilt wird.
Auch die Baukosten sind niedriger als im Massivbau. Nach Angaben des auf Stahl-Leichtbau spezialisierten Projektentwicklers Today Systems ist die Herstellung einer Stahlgerüstwand aber auch günstiger als eine Wand in Holzrahmenbauweise. Die kalt geformten Stahlprofile können vollautomatisiert mit nur einer Maschine gefertigt werden, was zu einem geringen Investitionsaufwand für Fertigungsanlagen und Personal führt – argumentiert das Unternehmen.
Auf seiner Website räumt Today Systems zwar ein, dass das weltweite Angebot an Eisenerz zur Rohstahlherstellung endlich ist und die Stahlherstellung bislang noch große Mengen klimaschädlicher Primärenergie erzeugt. Zugleich sei das Metall aber zu 95 % direkt wiederverwertbar.
Durch die werkseitige Vorfertigung der Stahlunterkonstruktionen ist zudem eine zügige Montage auf der Baustelle möglich. Da kaum Wasser ins Gebäude eingebracht wird, entfallen lange Trocknungszeiten. Was das Bautempo zusätzlich beschleunigt, ist der geringe Abstimmungsbedarf zwischen unterschiedlichen Gewerken. Ein geübter Trockenbauer kann – nach kurzer Einführung durch den Systemhersteller – auch Außenwände und Dächer in Stahl-Leichtbauweise zusammensetzen. So ist es möglich, dass ein einzelnes Handwerksunternehmen die gesamte Gebäudehülle in Eigenregie erstellt.
Hohes Dämmniveau möglich

Tragendes Außenwand-System von Knauf mit „Cocoon Transformer“-Profilen.
Stahl-Leichtbauwände bestehen aus einer aus Metallprofilen zusammengesetzten Unterkonstruktion, die von beiden Seiten mit Trockenbauplatten beplankt und im Hohlraum mit Dämmstoffen gefüllt wird. Durch die spezifische Auswahl der „Füllung“ sowie des Beplankungsmaterials lassen sich unterschiedlichste Wärme-, Schall- und Brandschutzeigenschaften „einstellen“. Kommt von außen noch ein WDVS oder eine vorgehängte Fassade mit Kerndämmung dazu, dann sind auch Effizienzhäuser oder sogar Passivhäuser in Stahl-Leichtbauweise kein Problem.
Auch beim Schallschutz sind erhöhte Anforderungen realisierbar. Hier zahlt es sich aus, dass man die Profile aus sehr dünnen Blechen fertigt, die üblicherweise nur 1,5 mm oder 2 mm dick. Geraten die Beplankungsplatten durch eine Schallquelle in Schwingungen, können die dünnwandigen Profile diese zum Teil abfedern. Die Schallausbreitung ist dadurch geringer als bei einem Ständerwerk aus schwereren Holzbaustoffen.
Nicht zuletzt hat der Stahl-Leichtbau Vorteile beim Brandschutz. Stahl brennt nun mal nicht. Gerade bei Aufstockungen auf mehrgeschossigen Gebäuden kann das ein wichtiges Kriterium für die Baugenehmigung sein. Gleichwohl bleiben Brandschutzmaßnahmen auch hier ein Thema, denn bei hohen Temperaturen beginnt das Metall weich zu werden, was zum Einsturz der Konstruktion führen kann. Als Schutzmaßnahmen bieten sich hier zum Beispiel Beplankungen aus Gipsfaserplatten oder Hartgipsplatten an.
Selbst beim Thema Erdbebensicherheit schneiden die Wandkonstruktionen besser ab, als man im ersten Moment denken würde. Im Forschungsprojekt ELISSA wurde 2016 nachgewiesen, dass tragende Stahlskelett-Wandelemente sogar Beben der Stärke 6 auf der Richterskala standhalten können. Die im Rahmen des Projekts getestete Konstruktion konnte auch solch starke Erdbewegungen einfach „mitmachen“ und blieb intakt. Falls Leichtbauwände doch einmal einstürzen, ist das für den Menschen immerhin weniger gefährlich als bei Massivwänden.
Beispiel Today Systems

3-D-Modell der metallischen Unterkonstruktion einer Doppelhaus-Gebäudehülle. Grafik: Today Systems GmbH
Beim Projektentwickler Today Systems aus Viersen in NRW glaubt man an die Vorteile des Stahl-Leichtbaus und ist überzeugt davon, dass die kostengünstige und schnelle Bauweise auch einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von energieeffizientem und zugleich bezahlbarem Wohnraum leisten könnte. Das Unternehmen bietet die Erstellung kompletter Gebäudehüllen in Stahl-Leichtbauweise an – inklusive Dachstuhl –und setzt dabei ausdrücklich nicht nur auf Gewerbegebäude oder Wohn-Aufstockungen, sondern auch auf komplette Neubauten mehrgeschossiger Wohnbauten und Einfamilienhäuser.
Um individuell planbare Stahl-Leichtbauten als ganzheitliche Lösung anbieten zu können, hat sich Today Systems mit dem belgischen Hersteller beSteel – einem Spezialisten für intelligente Stahlrahmen-Konstruktionen – zusammengetan. Die beiden Partner verbinden den Stahl-Leichtbau mit einem hohen Digitalisierungsgrad bei der Gebäudeplanung sowie einer schnellen und kostengünstigen Vorfertigung im Werk.
Bei Today Systems entsteht jedes Gebäude zunächst als digitaler Zwilling im Computer. Anschließend werden die Daten auf eine Maschine übertragen, die die Stahlprofile produziert. Jedes Profil wird zudem im Werk maschinell gekennzeichnet, was die spätere Montage auf der Baustelle erleichtert.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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