RM Rudolf Müller
Diese Platten bestehen aus Lehm, Sand, Stroh und Glasfasergitter.  Alle Bilder: Lehmorange

Diese Platten bestehen aus Lehm, Sand, Stroh und Glasfasergitter.  Alle Bilder: Lehmorange

Trockenbau
19. Oktober 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind Lehmbauplatten?

Wandbaustoffe aus Lehm stehen für Wohngesundheit im Innenausbau. Monolithische Wände aus Stampflehm sind zudem auch echte „Hingucker“. Sie sind allerdings aufwändig in der Herstellung, benötigen lange Trocknungszeiten und sind teuer. Als cleveren Kompromiss bietet die Baustoffindustrie vorgefertigte Lehmbauplatten. Diese begünstigen ebenfalls ein gutes Raumklima, sind zugleich aber ähnlich leicht zu verarbeiten wie klassische Gips-Trockenbauplatten.

Lehm ist ein natürliches Gemisch aus Sand, Schluff und Ton, welches die Baustoffindustrie zu vielfältigen Produkten verarbeitet. Das Spektrum reicht vom Lehmmörtel (Mauer- und Putzmörtel) über Lehmsteine und Faserlehm (für die Ausfachungen im Fachwerkbau) bis hin zu Stampflehm und eben Lehmbauplatten. Die Anwendung all diese Produkte ist in der Regel auf den Innenbereich beschränkt, da Lehm wasserlöslich ist. In Feuchträumen ist das Material – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt einsetzbar.

Lehm wird oft als ältester Baustoff der Menschheit bezeichnet. In der Baumoderne galt dieser lange als „von (vor)gestern“. Durch das zunehmende gesellschaftliche Bewusstsein für Nachhaltigkeit, Wohngesundheit und Ökologie trifft das Naturmaterial in jüngerer Zeit aber wieder zunehmend den Nerv von Architekten und Bauherren. In einem wachsenden Nischenmarkt liegt Lehm heute wieder voll im Trend. Die Industrie hat darauf mit der Entwicklung modernisierter Produkte reagiert – zum Beispiel vorgefertigte Lehmbauplatten.

Allrounder im Trockenbau

Die Produkte sind so leicht zu verarbeiten wie klassische Gipskartonplatten.

Die Produkte sind so leicht zu verarbeiten wie klassische Gipskartonplatten.

Lehmbauplatten eignen sich für alle typischen Anwendungen des trockenen Innenausbaus. Man kann mit ihnen sowohl massive Innenwände als auch Holz­ und Metallständerwerke für nichtragende Zwischenwände beplanken, man kann sie zur Konstruktion von Vorsatzschalen und abgehängten Decken verwenden oder Dachschrägen damit verkleiden. Sie sind praktisch für alle Einsatzzwecke nutzbar, für die man sonst Gipskartonplatten verwendet. Lehmbauplatten sind freilich deutlich teurer. Dafür erhält der Käufer allerdings ein besonders nachhaltiges und wohngesundes Produkt.

Im Vergleich zu Innenwänden aus Stampflehm sind Lehmbauplatten wiederum relativ günstig. Wer mit Lehm bauen möchte, sich monolithische Wände aus erdfeuchtem Lehm aber nicht leisten kann oder will, findet in der Bauplattenvariante eine effiziente Alternative. Zur Erinnerung: Für Stampflehmwände füllt man frischen Lehm mit Stroh und/oder Kies schichtweise in eine Mauerschalung. Jede Schicht muss zunächst verdichtet werden, bevor man die nächste in die Schalung einfüllt. Dieser Vorgang ist aufwändig und führt zu langen Trocknungszeiten auf der Baustelle. Als Alternative gibt es zwar mittlerweile auch maßgefertigte Stampflehm-Fertigbauteile, die man Zuhause nur noch aufstellen muss, aber auch diese sind teuer.

Günstiger und einfacher ist zweifellos der Innenausbau mit vorgefertigten Lehmbauplatten. Abgesehen von finalen Putz- beziehungsweise Farbbeschichtungen ist diese Bauweise komplett trocken. Handwerker, die es gewohnt sind, mit herkömmlichen Trockenbauplatten zur arbeiten, werden auch mit der Lehmvariante keine Probleme haben. Zuschnitt und sonstige Verarbeitung sind genauso einfach und effektiv. Die Raumnutzer profitieren darüber hinaus von den bauphysikalischen Vorzügen des Naturstoffs Lehm.

Armierte Plattenware

Im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sorgt Lehm für ein gutes Innenraumklima.

Im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sorgt Lehm für ein gutes Innenraumklima.

Die so genannten Basis-Lehmbauplatten des Herstellers Lehmorange bestehen aus Lehm, Sand, Strohhäckseln und einem aus Glasfaser gefertigten Gittergewebe. Der Strohzusatz und das Gewebe dienen zur Armierung der Platte, um deren Stabilität zu erhöhen. Statt Glasfaser setzen manche Hersteller beim Armierungsgewebe auch auf natürliche Materialien wie Schilfrohrmatten und/oder Jutegewebe. Lehmorange bietet seine Basis-Lehmbauplatten wahlweise in den Dicken 16 oder 22 mm an. Die marktüblichen Plattenstärken liegen in der Regel irgendwo zwischen 10 und 25 mm.

Nachhaltig sind Lehmbauplatten gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen sind Lehmböden fast überall in Deutschland in großen Mengen vorhanden und lassen sich im Tagebau relativ leicht abbauen. Zum andern sind Lehmbaustoffe sehr gut recycelbar. „Lehm ist reversibel und kann beliebig oft und ohne Verlust seiner Eigenschaften wiederverwendet werden“, erläutert Thomas Bader, Geschäftsführer der Ziegelwerke Leipfinger-Bader, zu denen Lehmorange gehört. Die Herstellung von Lehmbauplatten ist außerdem vergleichsweise energiesparend. Das Rohstoffgemisch wird nämlich nur in Formen gepresst und getrocknet, aber nicht – wie etwa Tonziegel – gebrannt.

Lehmbauplatten werden nach der Montage in der Regel mit Lehmmörtel verputzt und können zudem mit Lehmfarben gestrichen werden. Das macht Sinn, weil diese Produkte ebenso wie die Platte selbst diffusionsoffen sind. Aufgrund ihrer bauphysikalischen Eigenschaften eignen sich Lehmbauplatten zudem ideal für die Integration von Flächenheizungsrohren. Weitere Infos dazu bietet unser Beitrag „Wie funktionieren Lehmheizungen?“.

Wohngesunde Schwergewichte

Diese nur 10 cm dicke Lehmbauplatten-Trennwand „schluckt“ stolze 61 dB.

Diese nur 10 cm dicke Lehmbauplatten-Trennwand „schluckt“ stolze 61 dB.

Lehmbauplatten lassen sich fast so leicht wie Gipskartonplatten verarbeiten. Mit einer großen Ausnahme: Sie sind deutlich schwerer! Die Rohdichte der Basis-Lehmbauplatten von Lehmorange beträgt beispielweise 1.300 kg/m3. Herkömmliche Gipskartonplatten wiegen dagegen nur zwischen 600 und 700 kg/m3.

Dass Lehm ein relativ „schwerer“ Baustoff ist, erfordert mehr Kraftaufwand bei der Plattenmontage, hat ansonsten aber viele Vorteile. Lehmbauplatten haben dadurch nämlich eine überdurchschnittlich gute Wärmespeicherfähigkeit und tragen positiv zum sommerlichen Wärmeschutz bei. Das Material erwärmt sich nur langsam und kühlt auch langsam wieder ab. Nach Angaben von Lehmorange kann der Lehm in den Platten sogar Gerüche absorbieren und den CO2-Gehalt der Innenraumluft reduzieren. Thomas Bader verweist zudem auf einen weiteren Vorteil: „Lehm schirmt hochfrequente elektromagnetische Strahlung ab, die von Smartphones und WLAN-Verbindungen ausgeht.“

Der Naturstoff gast zudem keinerlei Wohngifte aus und ist aufgrund seiner Diffusionsfähigkeit in der Lage, viel Wasserdampf zu speichern und zeitversetzt wieder abzugeben. Dadurch tragen Lehmbauplatten dazu bei, die Raumluftfeuchtigkeit zu regulieren und Schimmel vorzubeugen.

Aufgrund ihrer relativ hohen Masse tragen Lehmbauplatten schließlich auch zu einem überdurchschnittlich guten Schallschutz von Trockenbaukonstruktionen bei. Die Grafik oben zeigt eine insgesamt nur 10 cm dicke Trennwandkonstruktion, die aber nach Angaben von Lehmorange ein Schalldämm-Maß von 61 dB erreicht. Die Konstruktion besteht aus beidseitig mit 22 mm dicken Basis-Lehmbauplatten beplankten Holzständern sowie einer Hohlraumdämmung, für die ein Naturdämmstoff wie Hanf, Holzfaserplatten oder Zellulose empfohlen wird.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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